Über ein Jahrhundert ist es her, dass der Futurismus nicht nur die  Syntax außer Kraft setzen und die Worte befreien wollte. Die Menschheit  selbst sollte aus ihrer "gedankenschweren Unbeweglichkeit" gerissen  werden: Vibrierende Glut in den Werften, abenteuersuchende Dampfer, auf  Schienen einherstampfende Stahlrosse. Dynamisierung, so weit das Auge  reichte. "Wir erklären", schreibt Filippo Tommaso Marinetti, "daß sich  die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die  Schönheit der Geschwindigkeit – ein aufheulendes Auto … ist schöner als  die Nike von Samothrake."
Den Manifesten des 21. Jahrhunderts ist solche Herrlichkeit in der Regel  fremd: "FUCK PLANES, FUCK CARS" hat jemand ans Betonufer des Wiener  Donaukanals gesprayt und damit an der Beweglichkeit von Flugzeug und  Auto wohl nicht den ästhetischen Aspekt verflucht. Wird hier der  Verzicht auf individuelle Mobilität gefordert? Prä- und postfossilen  Verkehrsmitteln das Wort geredet? Auf Promenadologie und Entschleunigung  gesetzt?
"Verkehr" lautet das Thema des wespennest-Herbstschwerpunkts.  Es geht darin um prägende Verkehrserlebnisse, um eine gerechte Teilhabe  an Mobilität, um das Lastenrad als Distinktionsobjekt und nicht zuletzt  um Fragen von Sprachverkehr und Verkehrssprache – wie wir miteinander  verkehren, lässt dann vielleicht doch wieder Platz für eine neue  Schönheit.

